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DAS passiert in Kriftel

Neue Rarität im Schulmuseum

Puppen aus dem Palais Rothschild adeln das Schulmuseum an der WGS

Seit Ende der Sommerferien gehen die Schülerinnen und Schüler der Weingartenschule wieder in ihre Schule. Unter Einhaltung eines von der Schulleitung verfassten Hygieneplans, versteht sich. Aber was ist mit der alten Schule in der Schule – dem Schulmuseum?

Durch die bekannte Pandemie war auch die Öffnung des Schulmuseums in Kriftel massiv betroffen. „Damit muss jetzt Schluss sein“, findet der Leiter des Schulmuseums, Wolfgang Janecke. Das Schulmuseum sei nicht in Vergessenheit geraten. Ganz im Gegenteil. Es gäbe dort sogar etwas ganz Besonderes zu bestaunen, erklärte er vergangene Woche verheißungsvoll einigen Ehrengästen bei der Präsentation neuer Ausstellungsstücke.

Berühmte Herkunft

Mitten in der Corona-Zeit hatte sich eine Dame aus Bad Soden gemeldet, die in Besitz eines echten Schatzes ist, der auch bei der Fernsehsendung „Bares für Rares“ für Aufsehen gesorgt hätte. Sie bot dem Krifteler Schulmuseum eine Puppenschulklasse als Geschenk aus ihrem Familienbesitz an.

Das allein ist schon bemerkenswert. Geradezu sensationell wird es aber durch die Provenienz: Die kleine Puppenklasse aus der Zeit um 1900 stammt nämlich ursprünglich aus dem Hause derer von Rothschild. Ihren Ursprung hat die weltbekannte und weit verzweigte Bankiersfamilie im 17. Jahrhundert in Frankfurt am Main. Hausdiener dort war ein Vorfahre der großzügigen Stifterin Waltraud Harseim.

Sie ist als ehemalige Lehrerin zur Präsentation gerne wieder in die Schule gegangen. Und erzählte dort vor den gespannten Zuhörern, die coronabedingt mit Abstand auf den alten Schulbänken des Museums Platz genommen hatten – darunter Kriftels Bürgermeister Christian Seitz und der ehemalige Schuldezernent Wolfgang Kollmeier – die bewegte Geschichte dieses Puppenklassenzimmers. 

Beliebt in Generationen

„Die Geschichte beginnt bei meinem Urgroßonkel Bresch“, erzählt Frau Harseim lebhaft.  Er sei um die Jahrhundertwende als Diener bei der jüdischen Bankiersfamilie Rothschild sehr geschätzt worden. Deswegen habe er auch Spielsachen der Rothschilds für seine Tochter Margarethe geschenkt bekommen. Darunter eine Puppenstube und eine Puppenschule, die nun von Generation zu Generation in der Familie der Stifterin weitergegeben wurden.

Die Puppenschule habe ihre Mutter im Jahr 1912 erhalten, als sie eingeschult wurde. In den beiden Weltkriegen sei dann das Spielzeug nicht mehr benutzt und eingemottet worden. Nach 1945 wurde es regelmäßig zur Weihnachtszeit hervorgeholt und zum Spielen aufgebaut. Sie und ihre zwei Geschwister hätten gerne mit Puppenhaus, Eisenbahn und Puppenschule gespielt. Die pensionierte Lehrerin erinnert sich, dass ihre Lieblingspuppen aus dem Puppenhaus immer mit der Eisenbahn in die Puppenschule fuhren. „Von Weihnachten bis Ostern hatten wir große Freude damit“, erinnert sich die Bad Sodenerin.

Auch in späteren Jahren wurden traditionsgemäß am Jahresende Puppenhaus und Puppenschule für ihre beiden Töchter aufgebaut. Die Enkeltöchter hingegen hätten keinen Zugang mehr zu dem historischen Spielzeug gefunden. Nur einmal habe die Puppenklasse noch das Licht der Öffentlichkeit erblickt: Zum 100-jährigen Bestehen der Theodor-Heuss-Schule in Bad Soden im Jahre 2019 sei sie ausgestellt worden. Jetzt hat das wertvolle Stück seinen endgültigen Platz in der Staufenstraße in Kriftel bekommen.

„Die neue Puppenstube ist ein wahres Schmuckstück für unsere Ausstellung und eine echte Augenweide für unsere jungen Besucher“, schwärmte Museumsleiter Janecke. Allein die liebevollen Details: So tragen die Püppchen gehäkelte Pullover und handgenähte Kleidchen. Schulranzen in Miniformat, winzige Hefte mit Namensschildern und ein Lehrer mit Anzug und Krawatte am Pult komplettieren das Schaustück.

Ein weiteres Geschenk

Zum Schauen erwartet die zukünftigen Besucher noch ein weiteres neues Exponat. Eine einsitzige Schulbank, wahrscheinlich für den Privatunterricht in einer wohlhabenden Familie konzipiert. Besonders seien dabei die Konstruktionsmerkmale aus Gusseisen, kommentierte Janecke. Dies stelle für die Schulbanksammlung eine willkommene Einzigartigkeit dar. So habe nun die Sammlung des Schulmuseums zwei neue Glanzpunkte aufzuweisen, hebt Janecke stolz hervor. Und die Puppenschule der Rothschilds hat wohl das Zeug zu einem echten Publikumsmagneten.   Alexander van de Loo

Schulmuseumsleiter Wolfgang Janecke mit Geschenk und Promis bei der Raritätenvorstellung im Museum.

Ein Mann und „sein“ Museum: Wolfgang Janecke wurde 75 - Seit 1988 gibt es das Schulmuseum des Main-Taunus-Kreises in der Weingartenschule in Kriftel. Von Beginn an ist Wolfgang Janecke Museumsleiter. Schon an seinem 60sten Geburtstag wurde er mit der Verleihung des Ehrenbriefes des Landes Hessens überrascht. 15 Jahre später, zum 75sten, gab es nun wieder eine unverhoffte Feierstunde, denn eigentlich hatte Janecke einige wenige Gäste zu einer Präsentation neuer, außergewöhnlicher Ausstellungsstücke ins Museum eingeladen. Bürgermeister Christian Seitz nutzte die Gelegenheit und übergab Janecke ein Präsent, gratulierte herzlich und dankte für das große Engagement des ehemaligen Rektors für das in Hessen einmalige Museum. Vor zwei Jahren war das 30-jährige Bestehen des Schulmuseums mit viel Prominenz im Foyer des Krifteler Rathauses gefeiert worden. Denn das Schulmuseum genießt Ansehen. Leiter Janecke hatte Mitte der achtziger Jahre die Idee dazu angestoßen. Der geborene Wiener, der in Frankfurt am Main zur Schule ging und dann in München, Berlin und Frankfurt das Lehramt studierte, wurde nach dem Referendariat in Friedrichsdorf/Taunus in der Weingartenschule in Kriftel eingestellt. Der Lehrer in Deutsch und Gesellschaftskunde wurde dann Konrektor an der Theodor-Heuss-Schule in Bad Soden und war später an der Heinrich-Böll-Schule in Hattersheim Realschulzweigleiter. Während eines Lehrerstammtischs im ehemaligen Weinlokal „Zum Landsberg“ in Hofheim sprach Janecke mit WGS-Schulleiter Johann Georg Schröder über die Idee eines Schulmuseums. Schröder erkannte den Wert dieser Idee für die Region sofort und griff zu, indem er Janecke anregte, ein Konzept für eine schulgeschichtliche Sammlung zu erarbeiten. Zusammen mit seinen damaligen Mitstreitern Jürgen Nagel und Dietrich Kleipa hat dieser Hessen nach Schulutensilien aus damaliger Zeit durchforstet. Highlight des Museums ist ein historisches, über 100 Jahre altes Klassenzimmer. Die Überdachung der Pausenhalle der Weingartenschule in ein geschlossenes Erdgeschoss führte zu Räumen für das Schulmuseum. Klassenraum war damals knapp und Janecke musste für seine Museumsräum kämpfen. Daher entstand zunächst das Historische Schulklassenzimmer, dann das Museum 1995. Inzwischen hat das Schulmuseum mehrere Räume auf 250 Quadratmetern Fläche zur Verfügung. Die Zahl der Exponate ist stetig angestiegen und Führungen, unter anderem für Schulklassen, werden regelmäßig angeboten. Bis heute ist Wolfgang Janecke der Motor des einzigartigen Museums geblieben…