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Schlager gegen den Corona-Blues

Kultur in der Krise: Schlager gegen den Corona- Blues

„Das gute Wetter hilft viel in diesen Zeiten“, betonte Kriftels Bürgermeister Christian Seitz, als er bei blauem Himmel und strahlender Sonne gemeinsam mit Axel Lorth die Mikrofone und die Verstärkerboxen in Position brachte. Denn am Gründonnerstag wurden die Bewohner des Seniorenheims Kursana Domizil und des DRK Betreutes Wohnen mit einem Frühlingsgruß der besonderen Art überrascht: Die erste Schlagerparade Kriftels in Coronazeiten auf der Straße Am Freizeitpark nahm dort ihren Lauf. Italiens „Balkonsinger“ hatten vorgelebt, wie aus gemeinsamem Singen eine positive Kraft erwachsen kann. Musik, das war die Idee der beiden, sollte als verbindendes Element ein wenig die Last von den meist hochbetagten Menschen nehmen, die zurzeit – wie überall in Deutschland – aus Sicherheitsgründen keinen Besuch empfangen dürfen.

Corona mal vergessen

„Einfach gut für die Seele“, fasste Axel Lorth, der die Idee zu der Unterhaltungs-Aktion hatte, seine Intension zusammen. „Der direkte Kontakt zwischen Mensch und Mensch lässt sich mit Clips in den modernen Medien nicht ersetzen. So war die persönliche Ansprache trotz großem Abstand möglich.“

Stundenlang hat er sich hingesetzt und Schlager ausgesucht, auf Festplatte kopiert und die Reihenfolge bestimmt. „Es sollten keine Werke der Klassik zu hören sein, keine anspruchsvollen Chansons, sondern einfach deutsche Schlager, die zum Mitsingen animieren“, so Lorth. Dabei habe er sich Lieder ausgesucht, die die Bewohner der beiden Häuser in ihren jungen Jahren bei fröhlichen Anlässen mitgesungen haben. Ob Schlager oder Evergreens – das Repertoire an diesem Tag war umfangreich.

Gedichte machen Mut

Entscheidend sei, ergänzte Bürgermeister Seitz, sich auf diese besondere Art und Weise gegenseitig Mut zu machen in Zeiten, in denen das Coronavirus den Alltag nahezu unmöglich macht. Er hatte Frühlingsgedichte mit im Gepäck, deutsche Klassiker wie „An den Frühling“ von Friedrich von Schiller oder das obligate „Blaue Band“, das Eduard Mörike durch die Lüfte flattern ließ. Poesie, die diese Generation meist noch in der Schule auswendig gelernt hatte. Es sei doch sonst auch ein trauriges Leben ohne Kunst und Kultur, so Seitz, der die Gelegenheit nutzte, dem Kursana-Team sowie dem DRK herzlich zu danken.

Axel Lorth swingte über eine Stunde lang mit sonorer Stimme unter anderem zu den Klängen von Rudi Schurickes „Caprifischer“ und Bata Illics „Michaela“ vor den Eingängen der Heime. Die Musik erhellte die Mienen der Bewohner und Bewohnerinnen, manche winkten und schunkelten, andere sangen mit und wiegten sich im Takt der vertrauten Klänge. Und so manches Freudentränchen floss in Erinnerung an alte Zeiten.

Bei Roland Kaisers „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn ihm die schöne Nachbarin gefällt“, wurde sogar geklatscht. Die gute Stimmung riss auch Heimbewohnerin Brigitte Götze mit, die neben ihrem Nachbarn Georg Schwarz auf dem Balkon stand, alle Lieder kannte und beherzt anstimmte. „Mal eine schöne Abwechslung“, lautete ihr Resümee, „da kam richtig Freude auf!“

Die Wende gewünscht

„Nun muss sich alles, alles wenden“, rezitierte Bürgermeister Seitz den deutschen Dichter Ludwig Uhland „Nun, armes Herz, vergiss der Qual“. Ein frommer Wunsch, der nun doch bald bitte endlich Wirklichkeit werden möge, da waren sich alle an diesem fröhlichen Nachmittag einig. Und froh um die gute Unterhaltung waren auch alle. Sänger Axel Lorth war bestens aufgelegt, witzelte, frotzelte, schmetterte, rockte und röhrte, was seine Kehle hergab.

Da kamen Erinnerungen an schöne alte Zeiten hoch. Susanne Peschke, Leiterin Sozialer Dienst im Kursana, berichtete: „Unsere Senioren hatten einen Riesenspaß - und waren mehr als gerührt, dass es Menschen gibt, die in dieser schwierigen Zeit eine solch tolle Aktion für sie starten.“ Heimleiter Alexander Sgodda betonte: „Es tut den Menschen gut, dass sie nicht vergessen sind und wir ihnen einen Moment Freude schenken können.“ Besonders ältere Menschen würden unter der aktuellen Situation leiden. Sie dürften nicht mehr hinaus zum Spazierengehen, keinen Besuch mehr haben und seien seit Wochen in der Quarantäne gefangen. Es würden immer noch gesellige Veranstaltungen angeboten werden, meint Sgodda, aber eben nur mit so wenigen Personen, dass die Abstandsregeln eingehalten werden könnten. Auch am Gründonnerstag wurde auf Abstand Wert gelegt. Fast automatisch geschehe das schon, lobte Seitz die vereinzelt stehenden Zuhörer.

Nah nebeneinander saß an diesem besonderen Tag das Ehepaar Dötsch, vor siebzig Jahren hatten sie geheiratet. Ihre Gnadenhochzeit so gut gelaunt und mit viel Stimmung zu erleben, gefiel ihnen ausgesprochen gut. Bürgermeister Seitz gratulierte und fragte nach den Wünschen. „Das Virus soll gehen“, sagte das Ehepaar an Christian Seitz und Axel Lorth gewandt, „aber die Musik darf wiederkommen.“ Alexander van de Loo