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Abstrakte Kunst im Rathaus
Gekonnt abstrakt: mehr als drei fette Pinselstriche
Wirtschaftswunder, Kalter Krieg und die spießigen Normen der Adenauer-Ära („Keine Experimente“). Dieses enge Korsett der realen 50er Jahre wollten Künstler endlich abstreifen. Ihre Befreiung im Nachkriegsdeutschland, die an die Avantgarde der 1920er Jahre anknüpft, heißt Abstrakte Malerei. Mit der internationalen Kunstausstellung documenta 2 in Kassel hat sich 1959 diese gegenstandslose Kunstform endgültig etabliert. Heute ist abstrakte Malerei anerkannt und ausdrucksstark. Sie arbeitet mit Linien, Formen, Farben, Strukturen und Strichen. Dabei werden tradierte Mittel mit experimentellen Ideen vermischt.
Spannende Gegensätze
Seit der feierlichen Vernissage am Mittwochabend nimmt Abstraktion in der „Krifteler Galerie“ großen Raum ein: 48 gegenstandslose Exponate bespielen in den nächsten Wochen das Rat- und Bürgerhaus. Die Künstlerinnen Susanne Bunte und Monica Stencl zeigen dort ihre ganz spezielle Handschrift. Sie sind nach eigenem Bekunden Freundinnen, haben aber nichts dagegen, wenn man sie als gegensätzlich bezeichnet. Aus dieser Spannung entstehe viel Energie und positive Kraft, sind sich beide sicher. „Wir haben uns vor etwa sechs Jahren in einem Malkurs in Frankfurt kennengelernt und sofort unsere Bilder gegenseitig für gut befunden und wertgeschätzt“, erklärt Bunte, die sich gerne als „Alphatier“ bezeichnet.
Sie ist Autodidaktin, was die Malerei angeht, lebt in Hofheim und hat dort ihr Atelier. Dort tobe sie sich – wie sie selber sagt - mit Bürsten, Tuben, Pinseln und aus. Wer mit ihr redet, spürt schnell, was das heißt. Intuitiv sei sie unterwegs, das impulsive, gestische Malen sei „ihr Ding“. Da werden auch mal schnelle drei fette Pinselstriche auf die Leinwand „draufgehauen“. „Ich vibriere“, erklärte die Künstlerin, „und gucke mal, was da so kommt“. Nach ihren Vorbildern befragt, nennt sie den Frankfurter Maler Karl Otto Götz mit seinen schwungvollen großen Pinselstrichen und den amerikanischen „Action-Painter“ Jackson Pollock, der mit betropften und verschmierten Leinwänden Furore machte. In manchen Bildern finden sich auch der Gestus und die Farbpalette eines Fritz Winters oder Gerhard Richters.
Mit der Kamera malen
„Wir legen beide auch mal Leinwände auf den Boden und experimentieren mit Farbe“, gaben Bunte und Stencl lachend zu. Wobei Monica Stencl sicher die Ruhigere, Introvertiertere der beiden ist. Das sieht man ihren Kunstwerken auch an. „Spiegel der Seele“, nennt sie das. Sie lebt in Dreieichenhain und hat ihr Atelier in Neu-Isenburg. Sie hat Kunstpädagogik an der Uni in Frankfurt studiert. „Ich musste gegenständlich malen“, zuckt sie mit den Schultern. Gefallen habe ihr das nicht. Nun mache sie das Gegenteil. Es lebe die freie Assoziation, betonte sie. Etwa 20 Minuten bis zwei Wochen bräuchten beide für ein Bild und hätten bis zu zehn Bilder gleichzeitig in Arbeit. Stencl hat auch viele Fotografien beigesteuert, darunter ihr Liebling „Als die Farbe ins Wasser fiel“. Dieses Kunstwerk fiel an diesem Abend vielen Kunstsinnigen auf. „Null am Computer bearbeitet“, versichert Stencl. „Kein Photoshop!“ Stencl hat auch ruhige Schwarzweiß-Fotos im Portfolio.
Das breite Spektrum der Kunstschaffenden kamen bei den Gästen der Ausstellungseröffnung an: Die Fülle an Eindrücken begeisterte. „Die Bude ist voll“, brachte es die stellvertretende Vorsitzende des Kulturforums, Elke Wetterau-Bein, in ihrer Ansprache auf den Punkt. Die Vernissagen im Rathaus hätten mittlerweile eine große Tradition. Abstraktion gefalle ihr, „das Gefühl zählt hier“, und sie zitierte Paul Klee: „Kunst gibt nicht das Sichtbare wider, sondern macht sichtbar.“ Genau dies könne man auf den Gängen und Fluren im Rathaus nachprüfen.
Bürgermeister Christian Seitz fand die Ausstellung „sehr gelungen“ und lobte die vielen Helferinnen und Helfer. Darunter im Besonderen die Organisatorinnen Anke Heerda und Susanne Vogt. Es sei ja doch ein Riesenaufwand, bis dann alles an der Wand hänge und diesmal seien auch besonders große Formate dabei. Musikalisch locker begleitet wurde das Event von Hilde Pöppe an der Querflöte und Heinz Reichert am Klavier. Mittlerweile Usus ist bei Vernissagen die Versteigerung eines Bildes. Über das „Nordsee Bild“ von Susanne Bunte freute sich Gewinner Bernd Reimann vom Foto- und Filmclub Kriftel.
Springende Bilder
Ob jetzt der „Hau drauf“ Gestus von Susanne Bunte eher gefiel oder die überlegte, bedächtige Art des Schaffens von Monica Stencl - die Werke der beiden Künstlerinnen fanden beim Publikum großen Anklang. Kommentare wie „mal was anderes“, „sieht man nicht jeden Tag“, „satte Farben“, „da lasse ich mich reinfallen“ sind zu vernehmen. Renate Hopfbauer aus Kriftel zum Beispiel gefällt die Wahl der künstlerischen Mittel: „Was für ein Ausdruck“, schwärmt sie. Mit 24 Jahren die jüngste Besucherin ist Isabel aus Dreieich. Sie hat ein Lieblingsbild in Neon und Pink: „Eine gute Mischung“, lautet ihr Urteil.
Die Ausstellung ist bis zum 13. Dezember im Rathaus zu sehen: Montag bis Mittwoch von 8 bis 16 Uhr, Donnerstag von 8 bis 18 Uhr und Freitag von 8 bis 12 Uhr. Alexander van de Loo