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DAS passiert in Kriftel

Exkursion auf die Musterbaustelle

Bauexpert/innen zeigten sich beeindruckt – „langer Atem“ hat sich ausgezahlt

Von „langem Atem“, „Spagat im Sozialen Wohnungsbau“, „Leuchtturmprojekt“ über „voll im Trend“ und „absolut notwendig“ war am Mittwochnachmittag auf der Baustelle an der Raiffeisenstraße so einiges aus dem Mund von Expertinnen und Experten zu hören. Der Erste Beigeordnete Franz Jirasek, Geschäftsführer der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft (Gewobau) Kriftel, begrüßte 25 Gäste, darunter Architekt/innen und Vertreter/innen von Verwaltungen und Wohnungsbaugesellschaften aus der Region. Im Rahmen eines zweitägigen Bausymposiums des Großen Frankfurter Bogens (GFB) war Kriftel aufgrund des aktuellen, bereits vielbeachteten Modellprojektes als Exkursionsziel auserkoren worden.

Da bezahlbares Wohnen und nachhaltiges Bauen als soziale und ökologische Verantwortung ganz oben auf der Agenda stehen, hat das Land Hessen Ende 2019 hierzu die Initiative „Großer Frankfurter Bogen“ gestartet, mit der der Wohnungsbau und die Verkehrswende im erweiterten Ballungsraum erstmals miteinander verknüpft wird. Denn vor allem in den Metropolregionen ist die Nachfrage nach neuem Wohnraum weiterhin enorm. Aber auch die Bereiche Mobilität, Infrastruktur, Klima und Energie sowie Demographie und Zuwanderung müssen berücksichtigt werden. „Wohnungspolitik ist damit eine der größten Querschnittsaufgaben dieser Zeit“, heißt es auf der Webseite des GFB.

Thema Wohnen noch stärker in den Fokus bringen

Das „GFB-Symposium 2023” am 3. und 4. Mai in Frankfurt am Main sollte einen wichtigen Beitrag dazu leisten, das Thema „Wohnen” noch stärker in den Fokus zu nehmen und die Zukunft des Wohnens zu gestalten. Gemeinsam mit den Partnerkommunen des Großen Frankfurter Bogens – zu denen auch Kriftel gehört - und renommierten Gästen aus Wissenschaft, Praxis, Politik und Gesellschaft gingen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf die Suche nach Lösungen für das künftige Wohnen - in Impuls-Vorträgen, Paneldiskussionen sowie Exkursionen zu Bauprojekten.

Unter dem Motto „Holzmodulbau Kriftel: Vorreiter im nachhaltigen Sozialwohnungsbau“ informierten sich die Teilnehmenden in Kriftel bei einer Führung über die Baustelle und der Besichtigung dreier verschiedener Wohnungen - eine große 4-Zimmer-Wohnung, eine 1-Zimmer-Wohnung und eine rollstuhlgerechte Wohnung – ausführlich über das Bauprojekt in der Raiffeisenstraße. Zuvor hatte Franz Jirasek die Gäste begrüßt und ihnen das Projekt vorgestellt: Im Rahmen eines sozialen Wohnungsbauprojektes sind aktuell 48 Wohnungen in nachhaltiger und umweltfreundlicher Holzmodulbauweise im Bau. Einziehen können Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Das Bauprojekt ist das bisher größte in der über 50-jährigen Geschichte der Krifteler Wohnungsbaugesellschaft.

Interessante Informationen gaben auch Hubertus und Christina Klose vom Architekturbüro Klose + Sticher (AKS), verantwortlich für Entwurf und Genehmigungsplanung, sowie Hubert Nopper von der AH Aktiv-Haus GmbH, Stuttgart, als „ARGE Wohnanlage Kriftel“ mit WOLFF & MÜLLER Hoch- und Industriebau GmbH und Co. KG, Stuttgart, verantwortlich für Ausführungsplanung und Baudurchführung.

Ziel: hohe Wohnqualität für alle Lebensphasen

„Ziel war es, trotz des Modulbaus nicht nur einen Wohnungstyp anzubieten“, erläuterte Planer Hubertus Klose. „Dabei wollten wir eine möglichst hohe Wohnqualität über alle Lebensphasen für unterschiedliche Nutzerinnen und Nutzer ermöglichen – mit flexiblen, gut möblierbaren und Licht durchfluteten Wohnungsgrundrissen. Jede Wohnung sollte zudem einen Balkon, eine Loggia oder Dachterrasse haben. Dies ist geglückt.“ Dabei habe man die Maximalgröße eines Moduls – 4,5 mal 16 Meter beachten müssen. Auch die „Montage“ der bis zu 25 Tonnen schweren Module per Schwerlastkran war machte Millimeterarbeit notwendig. „Ein Spagat im sozialen Wohnungsbau“, so Klose. Ein zur Begegnung einladender zentraler Platz und eine attraktive Gestaltung des Außenraumes sollen die Identifikation der Bewohner/innen mit ihrem Quartier fördern. Das Besondere ist auch die mögliche Wiederverwendbarkeit: Alle Teile des Komplexes könnten an anderer Stelle erneut aufgebaut werden.

Hubert Nopper von der AH Aktiv-Haus GmbH betonte: „Was wir hier machen, liegt voll im Trend! Ist aber auch notwendig anhand des Bevölkerungswachstums im Ballungsraum Frankfurt. Und man merkt es ja gerade überall: Wir brauchen Zuwanderung.“ Vor wenigen Wochen habe man auf dem Grundstück an der Raiffeisenstraße nur die Bodenplatte gesehen, nun stünden vier ansprechende Wohnhäuser. Dies sei der große Vorteil des Modulbaus.

Photovoltaik und Wärmepumpen

Die Stromversorgung der Wohngebäude erfolgt über Photovoltaikanlagen auf den begrünten Flachdächern. Geheizt werden sie über zwei effiziente Wärmepumpenanlagen. Lademöglichkeiten für E-Autos und E-Fahrräder werden vorgesehen. Im Keller wird ein Stromspeicher stehen. Alle Wohnungen sind über zwei Aufzüge erschlossen und somit barrierefrei.

„Dieses Projekt mit einem Volumen von rund 17,5 Millionen Euro, einschließlich der Kosten des Grundstückes, ist nicht zuletzt aufgrund der Umsetzung des Nachhaltigkeitsgedankens und der innovativen Holzmodulbauweise ein Meilenstein von Bauvorhaben in Kriftel“, betonte Franz Jirasek. „Man kann durchaus von einem Leuchtturmprojekt für die Region und darüber hinaus sprechen. Die Nachfrage nach Informationen zu dem Projekt ist sehr groß.“

Kein einfacher Weg

Es sei nicht einfach gewesen, das Projekt durchzusetzen: „Ja, man braucht einen langen Atem“, betonte er augenzwinkernd. „Für alle war es kein einfacher Weg. Aber wir alle brennen für das Projekt und identifizieren uns vorbehaltlos damit. Letztendlich haben aber alle an einen Strang gezogen, ganz besonders auch die Gremien der Gemeinde und der Gesellschaft.“ Schließlich sollte das Projekt nicht nur nachhaltig und ökologisch sein, sondern sich im Idealfall finanziell selber tragen. Das gelingt beinahe: Die Gewobau erhält Zuschüssen von Land und Bund in Höhe von insgesamt 3,6 Millionen Euro. 6,5 Millionen Euro werden über ein Bankdarlehen finanziert werden, 6,7 Millionen Euro über öffentliche zinslose Darlehen. Der Grunderwerb erfolgte aus Eigenmitteln. Der Bezug der Wohnungen ist für Anfang Dezember 2023 geplant.

Viele Hürden und Klippen

Angefangen hatte alles mit einer Sondersitzung des Planungsausschusses Ende 2016. Zum Thema „Innovative Möglichkeiten kostengünstigen Bauens“ hielt Prof. Pfeifer aus Darmstadt einen inspirierenden Vortrag. „Wir verfolgten dann verschiedene Ansätze, um Wohnraum günstig und möglichst schnell zu schaffen, die sich aber als sehr langwierig und teuer erwiesen, auch weil das zur Verfügung stehende Grundstück keine guten Voraussetzungen bot“, schilderte Jirasek die Schwierigkeiten. Kriterien waren schon damals insbesondere Nachhaltigkeit.

Hürden und Klippen galt es zahlreiche zu überwinden: die Preisentwicklung bei Baustoffen, insbesondere Holz und Stahl, neue Holzbaurichtlinien die zu erhöhten Anforderungen beim Brandschutz führten, der Kapitalmarkt, die gestiegenen Zinsen und der Arbeitskräftemangel. Die Wirtschaftlichkeit für das Projekt war in Frage gestellt. Die letzte Hiobsbotschaft kam am 24. Januar 2022, vier Tage vor Vertragsunterzeichnung: Der sofortige Stopp der KfW-Finanzierung war vermeldet worden. „Das hätte bedeutet, dass wir 1,3 Millionen Euro nicht als Zuschuss erhalten hätten“, so der Erste Beigeordnete. Trotzdem hielten die Gremien am Projekt fest, der „Stopp vom Stopp“ kam zum Glück Anfang Februar.