Zeitung auf Schreibtisch - Aktuelles

Immer informiert

DAS passiert in Kriftel

"Kriftel ist etwas Besonderes"

„Diese Gemeinde ist etwas ganz Besonderes“ 

Das Gespräch führte Alexander van de Loo Manchmal muss man sich von geliebten Dingen trennen. Wie von seinem Motorrad zum Beispiel. Das sei jetzt zwar schon zehn Jahre her, „aber es war meine große Leidenschaft“, bedauert Franz Jirasek ein wenig. Denn er wurde immer mehr in die Arbeit für die Gemeinde - „meine Gemeinde“ - Kriftel involviert. Seit vergangenem Samstag, den 7. September, ist es für den ehemaligen Ersten Beigeordneten auch damit vorbei. Trennungsschmerz verspürt er dabei noch keinen, dafür sei es zu frisch.

Machen, gestalten, anpacken - das wollte er. Und die Krifteler wollten ihn. Seit 2006 gelang Jirasek jede Wiederwahl. So konnte er an der modernen Entwicklung Kriftels mitarbeiten: Das Neubaugebiet „Engler“ entstand, Kriftel wurde wichtiger Schulstandort im MTK, die neue Ortsmitte mit Einkaufs- und Wohnzentrum wurde geschaffen, der Freizeitpark in weiteren Bauabschnitten angelegt ebenso wie der Ziegeleipark, die Große Schwarzbachhalle neben der Kleinen gebaut, der Friedhof erweitert, die „Ziegelei-Grube“ verfüllt, der „Erdbeeracker“ bebaut und das neue Zuzugs-Wohngebiet „Alte Ziegelei“ entworfen, vier Kindergärten saniert und gebaut, der Flächennutzungsplan (FNP) der Gemeinde genehmigt, die Gewerbeansiedlung gefördert und vieles mehr.

Wie geht es weiter mit dem umtriebigen Unruheständler, der im vergangenen Jahr mit 66 Jahren zum ersten Mal geheiratet hat?

Herr Jirasek, wie haben Sie denn den dreitägigen Feiermarathon überstanden? Was hat Ihnen besonders gefallen?

Marathon ist die richtige Bezeichnung (lacht). Das hat mich schon mitgenommen. Ich habe so viel geredet, war kaum noch bei Stimme. Es war so wunderbar, wie akribisch und gelungen die Feiern organisiert wurden. Meinen allerherzlichsten Dank an alle. Dass so viele Mitarbeitende mir ihre Wertschätzung gezeigt haben, hat mich sehr gerührt. Ich habe schon gemerkt, die wollten mir was zurückgeben. Am meisten überrascht hat mich, dass eine ehemalige Auszubildende, die ich vor 30 Jahren eingestellt habe, extra zur Feier kam, um sich bei mir zu bedanken. Sie ist jetzt Büroleiterin, also ihren Weg gegangen. Da merkt man, man hat vieles richtig gemacht.

Sie waren also zufrieden?

Mehr als das. Die Ausrichtung der Feiern stimmte für mich. Da stand der Mensch im Vordergrund. Schön war auch die wirklich gekonnte gereimte Rede von Christian Seitz, großes Kompliment. Das persönliche Fotobuch war sehr berührend. So viele Geschenke, die ich hier alle gar nicht aufzählen kann! Beindruckend allerdings war der 2,50 Meter hohe und 200 Kilogramm schwere Olivenbaum. Der kommt in den Garten. Da werde ich wohl bald darunter sitzen und ein Glas Wein genießen. Zeit habe ich ja (lacht). Fast alle Bürgermeister aus dem Main-Taunus-Kreis sind gekommen. Viele aus den Parlamenten. Das hat mich sehr gefreut. Da sind echte Freundschaften entstanden. Das findet man in der Kommunalpolitik auch nicht so oft. Auch Herr Heislitz vom Backhaus hatte ein Dankeschön für mich. Er suchte ja in vielen Gemeinden damals einen Bauplatz. Und konnte dann in Kriftel seinen Bäckereibetrieb bauen. Überhaupt haben die Unternehmer mir viel Resonanz gegeben. Wir sind immer professionell und offen miteinander umgangen.

Was war Ihre letzte Amtshandlung?

Vor der letzten Sitzung konnte ich noch das Projekt Krifteler Wäldchen übergeben. Juristisch war alles geprüft: die Erschließung, der Bebauungsplan, alles in der Spur. Am letzten Mittwoch hat nun der letzte Eigentümer der Grundstücke unterschrieben. Also auch das ist unter Dach und Fach. Die allerletzte Unterschrift als Erster Beigeordneter habe ich dann tatsächlich am Freitagabend geleistet.

Haben Sie schon Pläne in nächster Zeit?

Mein Plan: erst mal zur Ruhe kommen. Im Grunde ist es so wie die Fußballer nach dem Gewinn einer Meisterschaft berichten. Man kann das erst gar nicht realisieren, was da gerade mit einem passiert. Aber ich habe jetzt genügend Zeit zum Nachdenken. Kriftel werde ich nicht aus dem Blick verlieren, denn ich bin ja noch der Vorsitzende der TuS. Bis Ende des Jahres bin ich auch noch Geschäftsführer der Gewobau. Mein Baby, die Häuser in Holzbauweise, werde ich noch begleiten und sauber übergeben.

Und Ideen für das Privatleben? Werden Sie reisen? Sind Hobbies angedacht?

Meine Frau Heike hat noch 14 Monate in Hamburg in ihrem Job als Informatikerin, dann zieht sie endlich zu mir. Gerade ist sie 65 geworden, das passt gut. Unser Lebensmittelpunkt wird dann Hofheim sein. Trotzdem werden wir eine kleine Wohnung in Hamburg behalten, als Anker im Norden. Viele haben mich gefragt, ob ich vielleicht nach Hamburg ziehe. Keine Angst, ich bleib‘ meiner Gemeinde treu.

Eines ist klar, eine Kreuzfahrt gibt es auf keinen Fall. Wir sind beide keine Massenmenschen. Ich habe auch schon viel gesehen. Bin in jungen Jahren mit dem Rucksack kreuz und quer durch die Welt. Gerne würde ich noch mal nach Kanada oder die Rocky Mountains sehen, aber so viel Reisen ist jetzt auch nicht mehr drin. Zwölf Stunden im Flieger, oh weh! Ich denk‘ mir manchmal, das Gute liegt doch nah. Europa ist noch zu entdecken, ganz schweigen zu schweigen von Deutschland.

Tatsächlich habe ich ein Hobby, dem ich mich jetzt vermehrt wieder widmen werde: Briefmarken sammeln. Ich beschäftige mich damit gerne im Winter. Das kam mir alles zu kurz. Vor allem wird ja mein Verhältnis zu Heike ganz neu definiert. Eigentlich hatte ich ja immer zwei Frauen (lacht).  Einmal meine geschätzte Assistentin Manuela Busse und zum anderen meine Frau Heike. Naja, jetzt hab‘ ich eben nur noch eine und bei der kann ich dann auch mal länger in Hamburg bleiben. Es ist alles relaxter geworden und freier bin ich auch, das schätze ich sehr.

In vielleicht gar nicht mal so weiter Ferne könnte ich mir vorstellen, mich irgendwie in einem sozialen Projekt zu engagieren. Die Tafel zum Beispiel, aber bestimmt nicht als Vorstand oder so. Auch Freundschaften wollen gepflegt oder neu aufgebaut werden. Die haben alle ganz schön gelitten durch meine Arbeit…

Und die schönen Künste?

Was Musik angeht, da würde ich sagen, die Band von Ralf Engler am Freitag hat schon gut mein Geschmack getroffen. Axel Lorth hat mein Lieblingslied „Freiheit“ von Marius Müller-Westernhagen für mich gesungen. Unglaublich toll! Und ich werde natürlich auch mehr lesen. Botanische Bücher. Das GEO-Abo will auch mal wieder abgearbeitet werden, aber auch Klassiker wie Hesse, Dostojewski oder Thomas Mann warten im Bücherschrank und wollen aufgeschlagen werden.

Wie sehen Sie Kriftels Zukunft?

Da fällt mir spontan was aus der Bibel ein:  Auf sieben fette Jahre folgen sieben magere Jahre. Der Gürtel wird sicher enger geschnallt werden müssen. Es herrscht Geldmangel in der Kasse. Dementsprechend müssen Projekte aufgeschoben werden. Das wird Realität. Wenn ich in die Zukunft denke, dann hoffe ich, dass das Projekt Krifteler Wäldchen in zehn Jahren prosperieren wird. Durch die Umsetzung wird Geld zurück in die Kasse fließen, zum Beispiel durch die Ansiedlung von Gewerbebetrieben, Zuzug von neuen Einwohnerinnen und Einwohnern et cetera. Dort Flächen vermarkten, Gewerbeeinahmen generieren und Arbeitsplätze schaffen, wäre mein Wunschprogramm. Es gibt viel zu tun. Allein die Sanierung der Schwarzbachhalle kostet enorme Summen. Wir dürfen nicht stehen bleiben.

Wie blicken Sie auf die allgemeine politische Entwicklung?

Ja, da geht’s mir sicher wie vielen in Deutschland. Das Erstarken der politischen Ränder Parteien halte ich für beängstigend. Kein gutes Zeichen, aber wenn man so schlecht regiert wie die Ampel, dann ist das eben die Konsequenz. Klimaschutz ist dringend, aber wenn man die Bürgerinnen und Bürger bevormundet, erreicht man eher das Gegenteil. Was mich richtig ärgert, ist die Überregulierung beispielsweise durch das Europarecht. Seitenlange Vorgaben, zu viel Bürokratie, zu viel Bedenkenträger und zu wenig Gestaltungsspielraum. Da kann nichts Gutes bei herauskommen. Das hat mich bis zuletzt gestört. Denn meine Devise heißt: Anpacken und Umsetzen statt verhindern.

Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger Martin Mohr?

Dass er mit Umsicht und Erfolg agiert. Ich kenne ihn ja gut, habe ihn als Bauamtsleiter eingestellt. Ein heller Geist, der ein gutes Händchen hat. Martin Mohr steht für Kontinuität. Menschlich halte ich ihn für gut geeignet. Mit seiner sozialen Kompetenz wird er Mitarbeiter gut anleiten. Er wird sich vom Verwalter zum Gestalter wandeln.

Wie lauten Ihre drei Wünsche für Kriftel?

Dürfen es auch vier sein? (lacht) Erstens Kontinuität in der Politik, zweitens Freundschaften auch über Parteigrenzen hinaus zu pflegen und drittens mehr Vertrauen in Parlament und das demokratische Miteinander zu haben. Und viertens - und vielleicht das Wichtigste - dass das ehrenamtliche Engagement noch weiter ausgebaut wird. Dann kann ich auch öfter beruhigt mit meiner Frau Heike nach Hamburg fahren.